BERGISCHE TRANSFERGESCHICHTENDilatometer statt Dampfmaschine:Stiftungsprofessor Sebastian Weber und sein Lehrstuhl fürNeue Fertigungstechnologien und Werkstoffe in Solingen
Zu Gast ist die Wissenschaftstransferstelle bei Lehrstuhlinhaber Prof. Dr.-Ing. Sebastian Weber, der 2014 die erste Stiftungsprofessur in Solingen übernahm. Als Hausherr führt er durch die umgebauten Räume, zeigt sich begeistert von den Möglichkeiten vor Ort und sagt: „Hier ist vorzeigbar, was wir tun!“ Seminarräume in gehobenem Ambiente werden teilweise fremdvermietet und fanden bereits Eingang in die Rektoratsbroschüre „Zentrale Orte für besondere Veranstaltungen“. Büroräume und Schulungsräume wurden effizient umgestaltet, Labore, hell und lichtdurchflutet, vermitteln eine angenehme Arbeitsatmosphäre.
Der Wissenschaftler, der sich mit Materialien beschäftigt, die aus Metallen, insbesondere Eisen, hergestellt werden, betreibt Grundlagenforschung, stellt u.a. Untersuchungen an im Hinblick auf materialspezifische Energie- und Ressourceneffizienz und möchte die nachhaltige Entwicklung von Wärmebehandlungs- und Schmiedeprozessen in Forschung und Lehre stärker verankern.
Die Breite seiner Fachthematik, vor allem der Weg von der Anwendungsforschung zum Endprodukt, zeigt künftige Strategien für die bergischen Unternehmen auf. Dazu sucht Weber den engen Kontakt zu Stadt und Wirtschaft, führt viele Gespräche mit regionalen Playern, um Vertrauen auf- und Vorurteile abzubauen, denn – das formuliert er klar und deutlich: „Viele Unternehmen sind historisch gewachsen und haben ein umfangreiches Erfahrungswissen entwickelt. Für sie ist es zunächst unverständlich, warum man ein Erfolgsrezept ändern soll.“ Die Hochschule kann dort aber mit forschungsbasiertem Wissen „andocken“. Es geht also keineswegs um Konkurrenz, sondern um Verbesserung durch eine gemeinsame und interdisziplinäre Entwicklung. Und da hat der Materialwissenschaftler eine ganze Menge zu bieten.
Zum Beispiel das Dilatometer. Freuten sich unsere Urgroßväter über die Entwicklung der Dampfmaschine im 19. Jahrhundert, so glänzen die Augen des heutigen Maschinenbauers beim Anblick des Dilatometers. Dieses hochempfindliche Gerät – auch in der Forscherdatenbank der Bergischen Universität zu finden – berechnet das Volumen aus der Längenänderung eines Materials in Folge einer definierten Wärmebehandlung.
Die Ergebnisse über die Nutzbarkeit von Werkstoffen sind, und das weiß Weber ganz sicher, von hohem Wert für die Wirtschaft. Beispielsweise sind manche neuen Legierungen kostengünstiger und somit auch wirtschaftlicher als die bisher eingesetzten. Mindestens genauso wichtig ist heutzutage aber auch die Energie- und Ressourcenproduktivität, gerade bei den metallischen Werkstoffen mit ihrem hohen Primärenergiebedarf.
Und auch langfristig hilft Weber der Bergischen Wirtschaft, indem er Hochschulabsolventen an die Region bindet. Jüngstes Beispiel dafür ist der erste Masterabsolvent seines Lehrstuhls, den er selbst betreute. In Kooperation mit der Firma Berghaus GmbH & Co KG machte der gebürtige Remscheider Lars Elbracht seinen Abschluss und erhielt prompt ebenda eine Anstellung in der Abteilung Konstruktion. Eine echte Personal-Transferleistung!
Als kompetenter Ansprechpartner hat Weber in den vergangenen drei Jahren viel erreicht. Er ist gut vernetzt, hat eine Menge Kontakte geknüpft und ist in vielen wichtigen Gremien aktiv – und auch zum Thema „Third Mission“ hat er Ideen. Dabei nennt er seinen Beitrag zum Förderantrag „Innovative Hochschule“, bei dessen Bewilligung er im eigenen Hause einen Wissenschaftsladen etablieren möchte. Der Platz ist vorhanden, und im Forum Produktdesign könnten dann Beratungsangebote zu Forschung, Studium und Lehre realisiert werden, Interessensgemeinschaften und Schulen empfangen werden, um so die Bevölkerung über das Hochschulgeschehen besser zu informieren und Kontakte zu knüpfen.
Ebenso spannend ist ein von der Stadt Solingen mit der Agentur Engagement Global gGmbH ins Leben gerufene Projekt „Global Nachhaltige Kommune in NRW“, in dessen Strategiegruppe Weber für die Universität sitzt. Zusammen mit Vertretern der Arbeitnehmer und -geber, von Kirchen, Stadtverwaltungen, Verbänden und Schulen arbeiten alle gemeinsam an diesem kommunalen Third Mission-Vorhaben.
Erarbeitet wird die Entwicklung von Leitlinien und Zielen für eine Nachhaltigkeitsstrategie; dabei steht ein Handlungsprogramm mit Maßnahmen und Projekten, u.a. mit den Themen Klima und Energie, Mobilität sowie Wirtschaft und Arbeit im Mittelpunkt.
Über den Tellerrand schaut der verheiratete Familienvater natürlich auch. Kooperationen mit zwei polnischen Universitäten sowie mit Südamerika bestehen bereits, in Planung ist eine weitere Zusammenarbeit mit einem Westafrikanischen Land.
Und seine Studierenden? Eine Affinität zu den Fächern Mathematik, Physik, Chemie und Technik sollte vorhanden sein, denn „wenn Studieninteressierte technische und naturwissenschaftliche Grundlagen beherrschen“, sagt er, „finden sie an der Bergischen Universität beste Voraussetzungen.“ Professor Weber betont den guten Betreuungsschlüssel, d.h. das Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden, den direkten, sehr persönlichen Kontakt zu den Dozenten sowie die Masterjahrgangsstärke im Maschinenbau von etwa 40 Personen.
Mit seinem Team von fünf Wissenschaftlichen Mitarbeitern, einer Sekretärin und einigen Studentischen und Wissenschaftlichen Hilfskräften ist sein Lehrstuhl prima aufgestellt. Wenn sich Prof. Weber noch etwas wünschen dürfte, würde er sich über einen Metall-3D-Drucker freuen: Vielleicht kann man den dann ja auch in der Forscherdatenbank finden ...
UWE BLASS
Weitere Transfergeschichten unter
www.transfer.uni-wuppertal.de/transfergeschichten.html
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Prof. Dr.-Ing. Sebastian Weber studierte in Darmstadt Materialwissenschaft mit den Vertiefungsrichtungen „Elektronische Materialeigenschaften“ und „Physikalische Metallkunde“. Nach seinem Diplom 2002 ging er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Lehrstuhl Werkstofftechnik an die Ruhr-Universität Bochum. Dort promovierte er 2005. Es folgten wissenschaftliche Tätigkeiten am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE) sowie am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). 2009 erhielt er den Thyssen-Krupp Werkstoff-Innovationspreis für eine Arbeit zum Thema „Sintercladding – Entwicklung eines neuartigen Verfahrens zur Herstellung hoch verschleißbeständiger Schichten“.
Nach Abschluss der Habilitation an der Ruhr-Universität Bochum übernahm Prof. Weber die Stiftungsprofessur im Lehrstuhl für Neue Fertigungstechnologien und Werkstoffe an der Bergischen Universität mit Sitz im Forum Produktdesign in Solingen.
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