BERGISCHE TRANSFERGESCHICHTEN: <br />Die kleine Uni-Ambulanz in unserer Straße
BERGISCHE TRANSFERGESCHICHTEN: <br />Die kleine Uni-Ambulanz in unserer Straße
Ein bedeutendes Beispiel der letzten Jahre ist das „bergischproject“. Es bestand im Kern aus den interdisziplinären Sommerakademien an der Bergischen Universität in den Jahren 2013 bis 2015. „Das war ein kontinuierliches Projekt, das im Verlauf von drei Jahren durch zahlreiche Teilprojekte ergänzt, erweitert und vor allem in der Region verankert wurde“, erzählt Prof. Siems. Konkret handelte es sich dabei um drei Projekte: die Wiederbelebung des leerstehenden Ladenlokals am Markt 13 in Remscheid, die neue Nutzung eines denkmalgeschützten Stadtbades (Birker Bad) in Solingen und das Projekt Mirker Bahnhof in Wuppertal.
Neu war auch die Herangehensweise: Die Studierenden zogen los, erkundeten die Region und suchten sich eigenständig Projekte, die die Menschen bewegen. „Dazu benötigten sie keine Planungswerkzeuge des Städtebaus, sondern Intuition, Experimentierfreude und Kommunikationsfähigkeit“, sagt Tanja Siems. Durch Erkundungen, Lektüre, Bilder, Erlebnisse und Gedanken bei lebhaften Diskussionen mit Menschen auf der Straße entstand ein Mosaik, das es zusammenzusetzen galt. Nach dem Motto „finden, was eigentlich vorhanden ist“ waren fakultätsübergreifend neben den Architekturstudierenden auch angehende Kunst- und Design- sowie Kulturwissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen beteiligt.
„Die intensiv betreute Arbeit in kleinen, interdisziplinären Teams, mit international renommierten Expertinnen und Experten, bot neue Lern- und Arbeitsmethoden, außergewöhnliche Ausflüge, viele Kontakte und eine umfangreiche Publikation der Ergebnisse im Anschluss“, so das Fazit der Professorin.
Neben dem „bergischproject“ bietet sie viele weitere Service Learning-Projekte an. Ob eine internationale Sommerakademie in Berlin zum Thema „Stadt im Wandel – Solarenergie im städtebaulichen Kontext“ oder die regionale Umnutzung eines industriellen Leerstandes in Seniorenwohnungen für die Wuppertaler Tafel, immer liegen den Entwurfsaufgaben die Bedürfnisse der Nutzer zugrunde. An dem Projekt der Wuppertaler Tafel nahmen 35 Studierende teil – spannend daran: das Studienprojekt beschäftigte sich schon vor der großen Flüchtlingswelle 2015 mit der Planung von Flüchtlingsunterkünften. Nach erfolgreicher halbjährlicher Projektphase steigen die Planer nun auch in die Bauplanung ein.
Tanja Siems versteht sich bei allen Projekten als Katalysator, der anregt, Studierende selbständig laufen lässt, hier und da nachjustiert und das Engagement der Menschen in der Region in die Planungen mit einbezieht. Prof. Siems setzt auf Transdisziplinarität – sowohl als Leiterin des Instituts für Umweltgestaltung, in das sich Kollegen unterschiedlicher Fakultäten mit ihrem Know-how einbringen können, als auch an ihrem Lehrstuhl. Zusammen mit Bauingenieuren nimmt sie an Wettbewerben teil und bietet in der Lehre fachübergreifende Module an.
Als Städteplanerin hat sie auch eine Meinung zum Wuppertaler Bahnhofsumbau: Sie hätte sich eine Mitnutzung der Universität im Parterre des Bundesbahngebäudes gewünscht, vielleicht ein Büro für Studierende, sodass Reisende direkt vor Ort erfahren, wie eine Universität arbeitet.
Und dann wartet sie noch mit einer Überraschung auf: „Mehr Männer in die Architektur“ wünscht sich Siems. Denn während die Praxis noch männlich dominiert ist, studieren das Fach in Wuppertal hauptsächlich Frauen. Woran das liegt? Da kann die Professorin nur mutmaßen und spricht von den gestalterischen und designorientierten Bereichen, die vielleicht den Frauen mehr liegen. Mehr studienbegeisterte Männer fände sie gut und betont, von Kunst bis Technik sei in der Architektur alles drin, die rein gestaltende Architektur mache weltweit nur einen kleinen Teil aus, das Fach bietet also ungeahnte Möglichkeiten, über die sich Schülerinnen und Schüler auch bald wieder an der Hochschule informieren können. Auf dem Primanertag am 14. Januar und den Schülerinfotagen vom 16. bis 27. Januar 2017 an der Bergischen Universität stellt sich auch die Architektur vor.
Selbst immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen hat Tanja Siems in Wuppertal ein weiteres aufregendes Projekt gefunden. Aus dem Mirker Bahnhof entwickelte sich das Projekt Quartier Mirke, in dem ein ganzheitlicher Stadtteilplan verwirklicht werden soll. Auch hier wird fakultätsübergreifend geplant und der Transfergedanke in die Region getragen.
In der Architektur ist eben alles möglich.
UWE BLASS
Prof. Dr.-Ing. Tanja Siems promovierte 2002 mit dem Thema „Städtebauliche und verkehrliche Entwicklung in Ost- und Westdeutschland“ an der Universität Hannover und ist seit 2009 Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal. Dort leitet sie nicht nur den Lehrstuhl Städtebau in der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen, sondern auch das Institut für Umweltgestaltung. Das Institut für Umweltgestaltung arbeitet transdisziplinär, dazu gehört die Vernetzung innerhalb der Bergischen Universität mit unterschiedlichen Fakultäten und Lehrstühlen, aber auch mit weiteren nationalen und internationalen Netzwerken.
www.splusu-arch.uni-wuppertal.de/forschung/forschungsprojekte.html
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Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung, der Erkenntnisgewinn und das neu generierte Wissen sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. Eine zentrale Bedeutung hat dabei der Transfer der Ergebnisse in die Öffentlichkeit Wirtschaft, Politik und sozialen Institutionen. In den „Bergischen Transfergeschichten“ zeigt die Bergische Universität beispielhaft wie sich Forscherinnen und Forscher mit ihrer Arbeit in die Region einbringen, mit anderen Partnern vernetzen und die Gesellschaft so aktiv mitgestalten.
https://www.transfer.uni-wuppertal.de/transfergeschichten.html
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