Universitätskommunikation – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

„Bergische Transfergeschichten“: Die Kunst der Renaissance

07.05.2021|14:00 Uhr

Michael Rohlmann lehrt als außerplanmäßiger Professor Allgemeine Kunstgeschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. Frühe Italienerlebnisse prägen seine Begeisterung für die Kunst der Renaissance, von der er auch in den Bergischen Transfergeschichten berichtet. Das ästhetische Erleben steht dabei zunächst im Vordergrund, denn das, so sagt er, sei eine ganz neue Erfahrung für ihn gewesen, die er aus der in Krieg und Wiederaufbau verwüsteten und fragmentierten Heimatstadt Köln kaum kannte. „Kunst ferner Vergangenheit ist dort nicht als entrückter Ausstellungsdekor in Museen, sondern als begehbarer Lebensraum zu spüren.“

apl. Prof. Dr. Michael Rohlmann<br /><span class="sub_caption">Foto privat</span><br /><span class="sub_caption">Klick auf das Foto: Größere Version</span>

„In Italien wird in den alten Stadtzentren ganz unmittelbar in und mit Geschichte gelebt. Aus der Renaissance sind an Wänden von Kapellen und Palästen große Bilderzyklen erhalten, die uns von allen Seiten umgeben, die uns gleichsam in eine gestaltete Kunstwelt eintreten lassen“, so Rohlmann, der an der Universität zu Köln Kunstgeschichte, Klassische Archäologie sowie Mittlere und Neuere Geschichte studiert hat, ein Stipendium über den Deutschen Akademischen Austauschdienst erhielt und zwei Jahre an der Università degli Studi di Firenze verbrachte. Er promoviert über Altniederländische Tafelmalerei im Florenz des 15. Jahrhunderts, in der, wie er sagt, die Welt und die Menschen neu entdeckt worden seien. „Dies spiegeln uns Kunstwerke der Renaissance in Bildern wider. Es ist ja nicht nur eine ideale Formenwelt der Antike, die da ,wiedergeboren‘ wurde. In Flandern wurde im frühen 15. Jahrhundert eine neue naturalistische Maltechnik für kostbare, kleine Ölgemälde erfunden. Bis in winzige, feinste Details scheint die Welt mit all ihrer Stofflichkeit in Bildern eingefangen. Diese mobile Malerei auf transportablen Holztafeln eroberte ganz Europa.“

Italien übernehme in der Frührenaissance diesen bewunderten Maßstab guter Malkultur als begehrten Sammlungsimport und entwickele ihn weiter. „In den Jahren um 1500 konnten die großen, ortsfesten Wandbilder Italien erobern und das Modemodell Flandern dauerhaft ablösen. Um die Fresken zu sehen, musste man nach Italien reisen“, erklärt Rohlmann, „Rom wurde für Jahrhunderte zu dem großen Studienziel junger Künstler*innen auch aus dem Norden.“

Die Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte

Insgesamt zehn Jahre arbeitet der gebürtige Kölner in verschiedenen Positionen an der Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom, einer ganz besonderen Institution im Herzen Italiens. „Vor mehr als einem Jahrhundert stiftete Henriette Hertz, eine kunstbegeisterte Kölner Jüdin, in Rom eine deutsche Forschungsstätte zur italienischen Kunstgeschichte“, berichtet er. „Die Mittel entstammten einem in der chemischen Industrie erzielten Vermögen. Diese deutsche Forschungsförderung im Ausland hat später die Max-Planck-Gesellschaft übernommen. Es ist sicher eine späte Folge romantischer Italiensehnsucht. Henriette Hertz hatte dazu den ehemaligen Palast eines Malers aus dem späten 16. Jahrhunderts erworben, oberhalb der Spanischen Treppe.“

In diesem Zeitraum habe er forschend die europäische Entwicklungsgeschichte der Renaissance zwischen Nord und Süd schrittweise nachvollzogen. „Am Anfang stand als Dissertation die Untersuchung jenes im 15. Jahrhundert so erfolgreichen flämischen Kunstimports nach Italien und die Aufnahme und der Gebrauch, den diese Bilder im Süden erlebten. Dann führte mich der Weg über die Erforschung der Florentiner Frührenaissance endlich zum Rom von Michelangelo und Raffael und seiner europäischen Vernetzung und Wirkung.“

Habilitation über die Sixtinische Kapelle

In seiner Habilitation befasst sich Rohlmann mit der Bildausstattung der Sixtinischen Kapelle unter den Päpsten Sixtus IV., Julius II. und Leo X. Über die Bedeutung dieses vatikanischen Kleinods in der Kunstgeschichte sagt er: „Die Sixtinische Kapelle war einst das liturgische Zentrum der Christenheit, der heiligste Ort auf Erden, wo Papst und Kurie die feierlichen Messen hielten und hochgestellte Rombesucher*innen die Majestät des Papstes bestaunten. Man sollte sich während der heiligen Feiern in himmlische Sphären entrückt fühlen.“ Dazu habe der Bilderschmuck einen großen Anteil an dieser Inszenierung. „Über mehr als ein halbes Jahrhundert haben dazu die großen Meister des 15. Jahrhunderts, dann Michelangelo und auch Raffael wetteifernd beigetragen. Es entstand das vielleicht folgenreichste und dichteste ästhetische Experimentierfeld der neuzeitlichen Kunstgeschichte. Wie sich Europa die nächsten Jahrhunderte Gott und die Schöpfung vorstellen sollte, verdanken wir Michelangelos Deckenfresken.“ Dort werde Geschichte in einem hohen, erhabenen Stil erzählt, erklärt Rohlmann, man lernte bis ins 19. Jahrhundert aus Raffaels Entwürfen zu den Bildteppichen der Apostelgeschichte. „Nicht nur italienische Kunstgeschichte, sondern das europäische Bildgedächtnis erfuhr durch diesen Figurenkosmos eine entscheidende Prägung.“

Studierende lernen Originale kennen

Bei seiner Lehrtätigkeit in Wuppertal versucht der versierte Kunstgeschichtler die Studierenden an die historischen Originale heranzuführen. „Die Lehre in der Universität vor unvollkommenen Reproduktionen suche ich – so oft und so gut es geht – mit Erlebnis und Erfahrung von Originalen zu verbinden“, sagt er. „Seit zwanzig Jahren führe ich Studierende – erst aus Köln, jetzt aus Wuppertal – jedes Semester in die großen Sammlungen Europas, in die ursprünglichen Kontexte der Kunstwerke von Sevilla bis Petersburg, von London bis Palermo. In und aus den heute erkennbaren Spuren versuche ich vor Ort auch die vergangenen, untergegangenen Welten der Vergangenheit sichtbar werden zu lassen.“ Rohlmann weiß sehr wohl um die teils kostspieligen Exkursionen, die er als unbedingten Luxus definiert und führt weiter aus: „Wesentlich tiefer und intensiver sind die vor Ort gewonnenen Erkenntnisse!“ Vielleicht könne man so die Gegenwart Europas, seine Probleme und Vielgestalt besser begreifen, erklärt er. Gerade in Wuppertal, im Fach Kunst spüre man dabei einen direkteren ästhetischen, unmittelbareren Zugang der Studierenden, als dies oft in der akademischen Disziplin der Kunstgeschichte der Fall sei.

Rohlmann sieht seine Aufgabe in Wuppertal in der Vorbereitung junger Menschen auf die nächste Generation und sagt abschließend: „Dass viele der Wuppertaler Studierenden mit ihren Erfahrungen und Erkenntnissen später selbst als Lehrende in den Schulen vor die künftige Generation treten, dort Kreativität, ästhetische Bildung und sinnliche Intelligenz weitertragen müssen und so an unser aller Zukunft mitwirken, ist für mich Ansporn, Verpflichtung und Lohn.“

Uwe Blass

Die vollständige Transfergeschichte lesen Sie hier.


 

apl. Prof. Dr. Michael Rohlmann lehrt Allgemeine Kunstgeschichte in der Fakultät für Design und Kunst der Bergischen Universität

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