Universitätskommunikation – Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

„Bergische Transfergeschichten“: „Ein Großteil unseres Geldes steht uns frei zur Verfügung“

25.11.2020|10:15 Uhr

Wie Bürger*innen von Steuerreformen und dem internationalen Aktienmarkt profitieren könnten: Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Claudia Neugebauer und der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. André Betzer von der Bergischen Universität Wuppertal sprechen in den „Bergischen Transfergeschichten“ über Steuerausgaben und Spareinnamen.

„Die Kunst der Besteuerung liegt darin, die Gans so zu rupfen, dass sie unter möglichst wenig Geschrei so viele Federn wie möglich lässt“, sagte Jean Baptiste Colbert, französischer Finanzminister Ludwigs XIV., schon im 17. Jahrhundert. Viel scheint sich nicht geändert zu haben, sieht man die deutsche Besteuerungslandschaft im 21. Jahrhundert, in der Arbeitnehmer*innen nach wie vor scheinbar ziemlich viele Federn lassen.

Ganz anders sieht das die Wuppertaler Universitätsprofessorin Claudia Neugebauer vom Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Steuerlehre und erklärt den Nutzen von Abgaben und Steuereinnahmen für die Gesellschaft. „Ein Großteil unseres Geldes steht uns frei zur Verfügung“, betont sie, „mit den Abgaben wird über das gesetzliche System schon unsere Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosen- und Rentenversicherung abgegolten. All das ist in diesen Beträgen bereits enthalten.“ Auch die vom Bund der Steuerzahler genannte Einkommensbelastungsquote in Höhe von 52,1 Prozent für 2020 stellt sie in Frage. In der aktuellen Betrachtung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) lägen die Werte einer verheirateten Person mit Kindern bei 33 Prozent. Berücksichtigt werden müsse u. a., dass Kinder und Ehepartner ohne eigene Einkünfte über den*die Erwerber*in in der Krankenversicherung kostenlos mitversichert sind.

Wir rauchen für die Gesundheit – wir sterben für die Bildung

Viele Steuern träfen auch nicht auf jede*n Bürger*in zu und könnten nicht pauschal mit eingerechnet werden. Die Grunderwerbsteuer treffe diejenigen mit Immobilienbesitz, die Tabaksteuer zahlen nur Raucher – wobei mit der letztgenannten Abgabe sogar Leistungen der Rentenversicherung finanziert würden: „Im Steuerbereich sagt man immer: Wir rauchen für die Gesundheit.“ Ein scheinbarer Widerspruch, den Neugebauer auch für die Erbschaftsteuer sieht, denn da sterbe man für die Bildung, „weil die Erbschaftsteuer eine Ländersteuer ist und daraus wiederum auch die Universität finanziert wird.“

Diese beiden Beispiele belegen bereits die Undurchsichtigkeit eines mit über 40 verschiedenen Steuern angelegten Systems, mit dem zwar auch Fachleute ihre Schwierigkeiten haben, welches aber der Gesellschaft durchaus zuträglich ist, denn die immensen Staatseinnahmen kommen auch den Bürger*innen zugute. Eine für Neugebauer jedoch vollkommen außer Acht gelassene Frage lautet: „Was passiert mit dem Geld?“ Und sie erklärt: „Gerade in der aktuellen Zeit merken wir, wenn wir zum Beispiel erkranken, auch an Corona erkranken, müssen wir uns keine Gedanken darüber machen, dass wir nicht die beste Versorgung bekommen. Wir machen uns auch keine Sorgen, dass wir nachher überschuldet sind. Das haben wir alles abgefedert.“ Das System finanziere sowohl Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld aber auch Kinder- und Elterngeld. „Man muss sich auch die Frage stellen, wie das alles aufgebracht wird? Was will man vom Staat haben?“ Und da seien die Ansprüche in Deutschland durchaus hoch.

Steuerarten sind schwer zu reformieren

Die Liste bundesdeutscher Steuerarten ist lang und nicht unbedingt jedem*r Bürger*in bekannt. „Einige Steuern sind ja auch historisch gewachsen“, erklärt Neugebauer. „Warum haben wir eine Sektsteuer, eine Biersteuer, aber keine Weinsteuer? Warum haben wir eine Hundesteuer aber keine Katzensteuer?“ Auch seien einige Steuerarten wie zum Beispiel die Erbschaftsteuer selbst für Fachleute dermaßen kompliziert, dass eine Vereinfachung des Systems erhebliche Verbesserungen mit sich bringen würde. „Darüber hinaus haben wir ja ein föderales System. Die Steuern stehen nicht immer nur dem Bund zur Verfügung, sondern teilweise auch dem Land und auch den Kommunen. Deswegen haben wir auch so ein Problem, diese Steuerarten zu reformieren.“

Die Gewerbesteuer sei eine weitere Steuerart, die augenblicklich aufgrund politischer Restriktionen gar nicht zu reformieren sei. „Das ist eine heilige Kuh“, konstatiert Neugebauer, „wenn einer das schafft, die zu reformieren, der hat schon fast den Nobelpreis verdient. Es ist ein enormer Reformstau dort.“ Auch die 2004 eingeführte Alkopopsteuer mache schon deshalb wenig Sinn, weil vor allem junge Leute sich die Getränke jetzt getrennt kauften und sie anschließend mixten. „Von daher gibt es auch immer wieder Möglichkeiten, das Ganze zu umgehen.“

Wenige wissen um die Möglichkeiten, bestimmte Steuern zu minimieren oder im Idealfall zurückzubekommen. Doch Optionen dazu gibt es. „Gerade in der Einkommensteuer haben wir große Möglichkeiten, auch tatsächlich Werbungskosten geltend zu machen“, sagt die Steuerfachfrau, und nennt die absetzbaren Fahrten vom Wohn- zum Arbeitsort. Weitere Chancen gäbe es bezüglich der Sonderausgaben sowie der außergewöhnlichen Belastungen.

Das Magische Dreieck der Geldanlage

Die jährliche Steuererklärung kann im Idealfall zu einer angenehmen Rückerstattung durch das Finanzamt und ggfls. zu neuen Investitionen führen. Statistiken zeigen, dass die Deutschen jedes Jahr ca. zehn Prozent ihres Einkommens sparend zurücklegen. Der Zinssatz ist seit langem auf einem Tiefststand und seit Corona fragen sich viele Menschen: Wo kann ich denn mein Geld heute noch überhaupt anlegen? Das Geheimnis liegt im sogenannten „Magischen Dreieck der Geldanlage“, das der Wuppertaler Lehrstuhlinhaber für Finanzwirtschaft und Corporate Governance, Prof. Dr. André Betzer, so erklärt: „Das magische Dreieck im Rahmen der Geldanlage setzt die drei wesentlichen Ziele bei der Vermögensanlage zueinander in Beziehung: Rendite, Sicherheit und Verfügbarkeit. Magisch heißt das Dreieck aus dem Grund, da die Ziele miteinander konkurrieren. So hat eine Erhöhung der erwarteten Rendite zur Folge, dass meine Anlage risikoreicher wird und ich möglicherweise auch länger auf das angelegte Vermögen verzichten muss bzw. nicht darauf zugreifen kann.“ Der*die Anleger*in müsse sich somit vor seiner Vermögensanlage die Frage stellen, welche Priorität die einzelnen Ziele für ihn in Bezug auf das angelegte Vermögen hätten. Danach sollten dann die einzelnen Anlageinstrumente gewählt werden.

Als immer noch sichere und rentable Geldanlage gelten nach wie vor Immobilien. „Das sehe ich auch so“, bestätigt Betzer. „Diese Entwicklung hat sich meines Erachtens durch die aktuelle Pandemie noch verstärkt, da gerade die Erfahrung des Lockdowns dazu geführt hat, dass der Wunsch nach Eigenheim noch größer geworden ist. Wir haben gesehen, wie wichtig es ist, einen Garten oder ein gutes Bürozimmer zu haben.“

Aktien – eine langfristige alternative Einnahmequelle

Die Frage, ob sich für Otto Normalverbraucher in diesen Zeiten überhaupt eine Sparoption nennen lässt, kann der Finanzfachmann unter bestimmten Bedingungen durchaus bejahen. Sein Credo dazu lautet: „Niemals in nur eine Aktie investieren, wenn sie nicht auf das Geld verzichten können“, denn Aktienkursentwicklungen wie bei Wirecard, die sogar von der Bundesregierung unterstützt wurden, aber auch Bayer oder Lufthansa könnten immer wieder unvorhersehbar verlaufen. Einzelne Fehlentscheidungen, wie der Monsantoankauf durch Bayer, und volkswirtschaftliche Entwicklungen, wie der Coronaeinfluss auf die Flugindustrie, könne man nicht mit einer Glaskugel vorhersehen.

„Die theoretischen Modelle und empirischen Ergebnisse der Finanzwirtschaft zeigen ganz klar, dass man bei der Vermögensanlage, um einen optimalen Mix aus Rendite, Liquidität und Sicherheit zu erhalten, breit diversifizieren sollte“, erklärt Betzer. „Nicht alle Eier in einen Korb legen – das war die Devise vor 50 Jahren, das ist die Devise heute und das wird sie auch in Zukunft sein.“ Am besten gelänge das tatsächlich mit einem börsengehandelten Indexfonds, dem sogenannten Exchange Traded Fund (ETF) auf den MSCI World Index, welcher seit 1975 bei einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von über acht Prozent liege. „Damit investiert man in über 1600 Unternehmen weltweit zu sehr geringen Kosten. Man kann dies sowohl als Einmalanlage als auch als Rentensparplan monatlich besparen“, weiß Betzer und kommt noch einmal auf den Zeitfaktor des Magischen Dreiecks der Geldanlage zurück. „Je länger Sie auf Ihr Geld verzichten können, desto größer kann der Anteil ihres Investments im Bereich Aktien sein. Ich bin 43 Jahre alt. In meinen Rentensparplänen habe ich zu 100 Prozent in Aktien investiert, da ich noch mindestens 25 Jahre arbeiten werde. Die überwiegende Mehrheit empirischer wissenschaftlicher Studien zeigt, dass man in verschiedenen effizienten Aktienmärkten (u. a. Deutschland oder USA) ab einer Anlagedauer von etwas mehr als zehn Jahren historisch keinen nominalen Verlust hinnehmen musste.“

Sparen ohne Risiko

Banken und Sparkassen sind uns seit jeher vertraut. Viele Bundesbürger*innen halten den Aktienmarkt nach wie vor für einen Spielplatz von Spekulant*innen und möchten bei ihren geldlichen Möglichkeiten keine langen Wartezeiten oder irgendwelche Risiken eingehen, bzw. auch kurzfristig auf Erspartes zurückgreifen. Dazu der Fachmann: „Eigentlich ist es ganz einfach. Kann ich längere Zeit auf einen Geldbetrag verzichten, sollte ich in einen breiten Aktienkorb investieren, benötige ich das angelegte Geld in drei bis fünf Jahren, dann muss ich auf das Tagesgeldkonto oder aufs Festgeld ausweichen. Und das mache ich auch so.“

Uwe Blass

Die komplette Transfergeschichte lesen Sie hier.


Prof. Dr. Claudia Neugebauer arbeitet am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Steuerlehre von Prof. Dr. Kerstin Schneider. Prof. Dr. André Betzer leitet seit 2012 den Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate Governance der Fakultät der Wirtschaftswissenschaft an der Bergischen Universität.

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