Bergische Transfergeschichten: „Erfahren und erspüren, dass Leben eine ganz besondere Eigenschaft ist“
Albert Einstein hat einmal gesagt: „Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.“ Eine eindeutige, allgemein akzeptierte Definition des Lebens gibt es in der Wissenschaft nicht, dafür unzählige Ansatzpunkte für seine Erforschung. Auch Prof. Dr. Gela Preisfeld von der Bergischen Universität Wuppertal und ihr Team am Lehrstuhl für Biologie und ihre Didaktik, Zoologie sind „dem Leben“ auf der Spur. In den Bergischen Transfergeschichten erzählt die Biologin von faszinierenden Forschungsobjekten, bilingualem Schulunterricht und Schmetterlingen aus Costa Rica.
Ein faszinierender Forschungsbereich beschäftigt die Wissenschaftlerin und ihr Team besonders: die Arbeit mit den sogenannten Augentierchen (Euglenida). Für Laien eigentlich unspektakulär, verfügen diese Einzeller jedoch über außergewöhnliche Eigenschaften. „Die Euglenida gehören tatsächlich mit zu den ersten Organismen, die einen echten Zellkern entwickelt haben“, erklärt Preisfeld. „Sie werden zum einen bei den Tieren eingeordnet zum anderen aber auch bei den Pflanzen.“
Spannend daran ist die Tatsache, dass sich die phagotrophen Vertreter ernähren, indem sie durch ihren Zellmund feste Nahrung, d.h. andere Einzeller oder Bakterien, aufnehmen können. „Man muss ja dabei im Kopf haben, dass diese Organismen mit der einen Zelle alles können, was wir mit mehreren Organen machen. Sich fortpflanzen, sich ernähren, die Verdauung regeln, all das läuft in einer Zelle ab. Das ist schon faszinierend an sich. Und irgendwann in der Evolution vor Jahrmillionen ist es eben dann passiert, dass ein solcher Organismus eine Grünalge fressen wollte, sie aber dann nicht komplett verdaute, sondern die Chloroplasten über einen komplexen Prozess von gegenseitigem Genaustausch in sich versklavt hat.
Der nicht verdaute Teil der Alge, also die Chloroplasten, wurden dann etabliert als semiautonome Organellen, die sich bei der Zellteilung ebenfalls teilen, so dass beide Tochterzellen wieder ihre Chloroplasten besitzen. Somit war dieser vorherige phagotrophe Vertreter plötzlich phototroph und konnte Fotosynthese betreiben. Das bezeichnet man als eine sekundäre Endosymbiose.“ Symbiosen sind dafür bekannt, dass sie die Evolution vorantreiben. Preisfeld untersucht mit ihrem Team daher das Erbgut dieser Chloroplasten, um herauszufinden, was in der Zelle passiert und welche Spuren dieser Endosymbioseprozesse in diesem tierisch-pflanzlichen Wesen noch zu finden sind.
Ähnlich verhalten sich die Forschungen, die die Lehrstuhlinhaberin an Meeresnacktschnecken, die sich von Korallen ernähren, durchführt. Auch hier spielen Symbiosen in der Evolution eine wichtige Rolle. Die Korallen leben in einer Symbiose mit einzelligen Algen, von denen sie Fotosyntheseprodukte erhält. Und wie bei einer Symbiose üblich, hat auch die Alge etwas davon: Eine geschützte Umgebung und Mineralien, die sie für die Fotosynthese benötigt. Die Schnecke verdaut alles von der Koralle – bis auf die Algenzellen“, erklärt sie. „Diese Zellen werden in das Gewebe und sogar in die Zellen der Schnecke eingebaut, so dass die Schnecke auch Hungerperioden überleben kann, da sie von den Fotosyntheseprodukten der Algen ,ernährt‘ wird. Die Algenzellen sind ja nun aber fremd für die Schnecke. Normalerweise würden die Immunkomponenten darauf reagieren. Das tun sie aber nicht und lassen es zu.“ In verschiedensten Untersuchungen versucht Preisfeld mit ihrem Team, die Ursachen dafür herauszufinden.
Biologieunterricht im Zeitalter der Digitalisierung
Neben ihrer Forschungstätigkeit ist Preisfeld auch maßgeblich an der Ausbildung der Lehramtsanwärter*innen beteiligt. „Sie sollen erfahren und erspüren, dass Leben eine ganz besondere Eigenschaft ist, die sich nicht durch Stoff (das wäre die Chemie) und Kraft (das wäre die Physik) erklären lässt. Es ist eine eigene Eigenschaft, die nicht ohne alle anderen Komponenten existieren würde. Es gibt nicht ein Viel oder ein Mehr von Leben. Es gibt Leben oder eben kein Leben. Das ist schon eine ganz besondere Eigenschaft der Biologie.“
In forschungsorientierten, experimentellen und praxisnahen Angeboten bietet sie in ihrem Fach den geeigneten Zugang und sagt: „Durch die Auseinandersetzung mit Materie, durch Arbeiten im Labor, durch das Bestimmen von Pflanzen und Tieren, die man wirklich sehen, anfassen und riechen kann – also durch sinnliche Erfahrungen, lernt man viel leichter, motiviert die Studierenden und die Schulkinder viel besser.“ In der Digitalisierung sieht sie zwar einen Mehrwert für die Lehre, den es aber sinnvoll einzusetzen gelte, denn oft brauchten vor allem junge Kinder eher die originäre Begegnung mit dem Objekt, wenn es um Sinneserfahrungen gehe.
In diesem Zusammenhang kommt der Sprache eine ganz besondere Bedeutung zu, denn Fachtermini gehören in der Biologie selbstredend dazu. Preisfeld ist eine Befürworterin des bilingualen Unterrichtes, den sie jedoch behutsam umsetzen will. „Man tut sicherlich gut daran, Fachsprache langsam aber stetig wachsend in Lehre einzubauen“, sagt sie. „Das trifft auf die Uni und auf die Schule zu. Im bilingualen Unterricht beforschen wir den Einsatz der Sprache. Wir sind eine Forschergruppe an unserer Universität und unser Gedanke ist, dass durch den wechselweisen Einsatz beider Sprachen tatsächlich eine bilinguale Fachliteralität erreicht werden kann. Bilingualer Unterricht wird an Schulen häufig monolingual in der Fremdsprache durchgeführt und das ist nicht das Ziel.“
In ihren Schüler*innen-Laboren werden bestimmte Aufgaben in Englisch, andere wiederum in Deutsch durchgeführt. „Die Durchmischung der beiden Sprachkonzepte geschieht im Kopf. Und das verknüpfen wir auch noch mit einem experimentellen Ansatz, weil wir denken, dass durch die Beteiligung verschiedener Hirnbereiche der Behaltenseffekt am größten ist. Das können wir auch empirisch belegen.“ Zwar merke man den Erfolg nicht sofort, langfristig jedoch hätten Schüler*innen, die bilingual unterrichtet worden seien, noch mehr Erinnerung als monolingual unterrichtete Schüler*innen. Preisfeld möchte den bilingualen Unterricht, der meist nur für Leistungsstarke angeboten wird, für alle Kinder anbieten, und sagt: „Wir haben gemerkt, dass zum Beispiel Kinder, die sprachlich gar nicht interessiert sind, die Englisch ,doof‘ finden, über das Experimentieren zum Thema kommen. Die machen dann trotzdem gerne mit und reden auch Englisch.“
Transferaktivitäten für Bürgerinnen und Bürger
Die engagierte Wissenschaftlerin ist auch außerhalb der Universität gut vernetzt. Als stellvertretende Vorsitzende der Junior Uni fördert sie aktiv die Kleinsten, denen sie eine intrinsische Motivation in Bezug auf biologische Wissensgebiete bescheinigt. Und auch der interessierten Bürgerschaft hat sie schon mehrere spektakuläre Ausstellungen präsentiert. In Zusammenarbeit mit dem Botanischen Garten Wuppertal, in dessen Förderverein sie den Vorsitz hat, zeigt sie regelmäßig wiederkehrend seit 2010 eine bezaubernde Schmetterlingsschau. Enge universitäre Kontakte zu Zentralamerika machten dies u. a. möglich. „Diese tollen Exemplare bekommen wir von zertifizierten Züchtungsfirmen, hauptsächlich aus Costa Rica. Es ist ein sehr schönes Beispiel für die Verzahnung von Ökologie, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit, denn das Fangen von freilebenden Exemplaren ist durch das Artenschutzabkommen strikt verboten.“
Arbeiten mit der Pandemie
Besonders stolz ist die Forscherin auf ihren 18-köpfigen Mitarbeiter*innenstab, der das Sommersemester in der Corona-Krise zu meistern wusste. Ein Beispiel: In der Formkenntnis der Tiere müssen Studierende, angefangen bei Insekten bis hin zu Vögeln oder auch Schädeln, Exponate mit einem Buch bestimmen. Dazu brauche man in der Regel aber das Tier, welches man von allen Seiten betrachten müsse. An dieser Stelle hatte eine ihrer Mitarbeiterinnen die Idee, sich mit anderen Universitäten zusammenzuschließen und den Studierenden eine Digitale Bibliothek mit dreidimensionalen Fotos der Tiere zur Verfügung zu stellen. Das Feedback der Studierenden war sehr positiv. „Aber dennoch“, sagt Preisfeld, „mir fehlt das Gegenüber und ich glaube, den Studierenden fehlt das auch! Ich wünsche mir schon den normalen Betrieb zurück. Die Digitalisierung hat unsere Lehre erweitert und wir haben Möglichkeiten neu erschlossen, die wir auch sicherlich beibehalten werden. Aber wir werden auf jeden Fall, sobald das möglich ist, zur Präsenzlehre zurückkehren.“
Uwe Blass
Die komplette Transfergeschichte lesen Sie hier.
Prof. Dr. Gela Preisfeld studierte, promovierte und habilitierte an der Universität in Bielefeld. Nach kurzen Forschungsaufenthalten in Australien und einer Vertretung an der Goethe-Universität Frankfurt/Main nahm sie 2006 den Ruf auf den Lehrstuhl Biologie und ihre Didaktik, Zoologie an der Bergischen Universität an.