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„Bergische Transfergeschichten“: Pflanzen aus aller Welt im Bergischen Land

20.08.2020|13:45 Uhr

Sie tragen so fantastische Namen wie Grünähriger Fuchsschwanz, Löwenmäulchen, Rote Spornblume, Felsen-Storchschnabel oder Gelbrote Taglilie und sind in vielen Gärten beheimatet. Kaum einer weiß, dass diese Blühpflanzen erst im 16. Jahrhundert u. a. aus dem Mittelmeergebiet oder aus Asien zu uns gekommen sind. Und noch viele weitere Pflanzen, die eigentlich woanders beheimatet sind, haben bis heute den Weg nach Europa gefunden. Prof. Dr. Gertrud Lohaus von der Bergischen Uni kennt ihre Geschichte. In den Bergischen Transfergeschichten berichtet die Botanikerin über Giftpflanzen, Zukunftsbäume und was Kleingärtner*innen in Berlin derzeit beschäftigt.

Prof. Dr. Gertrud Lohaus<br /><span class="sub_caption">Foto UniService Transfer</span><br /><span class="sub_caption">Klick auf das Bild: Größere Version</span>

„Nach der Landung von Kolumbus in Amerika fand ein ganz großer Austausch zwischen dem neuen Kontinent und Europa/Eurasien statt“, erklärt die Prof. Dr. Gertrud Lohaus, die das Fach Molekulare Pflanzenforschung/Pflanzenbiochemie in der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften an der Bergischen Universität leitet. „Pflanzen, die nach 1492 durch menschlichen Einfluss in andere Gebiete gelangten, nennt man Neophyten.“ Sie fühlen sich in unseren Breitengraden wohl, verändern die Landschaft und auch die Artenzusammensetzung. In Deutschland sind das etwa 1.000 höhere Gefäßpflanzen, von denen ca. 400 etabliert sind. Etwa 40 gelten wiederum als invasiv. Das sind gebietsfremde Arten, die potenziell schädlich für andere Arten oder Ökosysteme sind.

Viele dieser Pflanzenarten sind von unserem Esstisch, unseren Äckern und Gärten oder aus der „Natur“ nicht mehr wegzudenken, andere invasive Arten können allerdings auch einen ökologischen, wirtschaftlichen oder gar gesundheitlichen Schaden verursachen. Ökologische Schäden kann z.B. der Japanische Staudenknöterich verursachen, wenn er andere Pflanzen unter sich „zerdrückt“ und dann weniger Arten vorhanden sind als vorher, erläutert die Forscherin. Wirtschaftlich schade diese Pflanze zusätzlich, wenn sie in bestimmte Felder einwachse und angebaute Pflanzen verdränge.

Der Riesenbärenklau stammt aus dem Kaukasus

Gesundheitliche Beeinträchtigungen wiederum verursache beispielsweise die Herkulesstaude, denn, wenn man diese berühre, komme es zu Ausschlag oder Verbrennungen. Als unliebsame Pflanze, die ursprünglich aus dem Kaukasus stammt, ist der Riesenbärenklau, der 2008 sogar zur Giftpflanze des Jahres gewählt wurde, auch in Wuppertals Auenlandschaften zu finden. „Der Riesenbärenklau kann bis zu drei Meter groß werden und enthält photosensibilisierende Substanzen der Stoffgruppe Furanocumarine. In Zusammenhang mit Sonnenlicht, also UV-Strahlung, wirken diese phototoxisch und verbrennen die Haut“, weiß Lohaus. In der Dunkelheit hingegen passiere bei einer Berührung nichts. Daher sollte die Pflanze auch nur fachgerecht gekappt werden. Als nahe Verwandte gelten der Kleine Wiesenbärenklau, der ebenso zur Familie der Doldenblütler gehört, sowie der essbare Sellerie und die Petersilie.

Zubereiten statt Vernichten

Einige dieser eingeführten Pflanzen sind uns schon fast vertraut. Wir kennen zwar ihre Namen nicht, halten sie aber für einheimisch, wie den Japanischen Staudenknöterich oder das Indische Springkaut. Vielerorts werden diese Pflanzen bekämpft, damit die Artenzusammensetzung bestimmter Biotope erhalten bleibt. Doch mit dieser radikalen Methode ist die Wuppertaler Botanikerin nicht einverstanden und sagt: „Nicht in jedem Ökosystem muss man sie bekämpfen. Aber der Japanische Staudenknöterich ist eben sehr schnellwüchsig und wuchernd. Er wächst 10 bis 30 Zentimeter pro Tag. Zusätzlich bildet er Rhizome, d.h. unterirdische Sprosse. Selbst kleine Stücke davon können wieder auswachsen, d.h. alles, was im Boden verbleibt, auch Teile von ausgerissenen Pflanzen, wachsen wieder aus. Er beschattet alles unter sich und es wächst nichts Anderes mehr. Eine sichere Entsorgung geht da nur über eine Verbrennung.“ Doch auch eine andere Nutzung wäre denkbar, denn das 1825 als Viehfutter importierte Gewächs kann man als Jungpflanze sogar essen. In seiner Heimat wird der Staudenknöterich als Gemüsepflanze, ähnlich unserem heimischen Rhabarber, angebaut und verarbeitet. Sogar im Geschmack ähnelt er dem Rhabarber und auch die Zubereitungsarten sind dieselben. Die jungen Triebe des Japanischen Staudenknöterichs schmecken sowohl in herzhaften als auch in süßen Gerichten, wie Kompott oder als Obstkuchen.

Zukunftsbäume

Zu den mächtigsten Vertretern der Pflanzen zählen sicherlich die Bäume, von denen viele ihren Ursprung auch außerhalb Europas haben. Ein besonderer Gast, der aus Nordamerika kommt, ist die Robinie, die in diesem Jahr in Deutschland auch zum Baum des Jahres gekürt wurde. „Die Robinie wurde vor ungefähr 400 Jahren in Deutschland und Mitteleuropa eingeführt“, weiß Lohaus. „Sie ist als Zierbaum für Parks und Gärten gekommen und steht auch heute noch häufig an Bahnstrecken, weil zu der Zeit, als noch Dampfloks fuhren, hat es häufiger mal neben den Schienen gebrannt. Die Robinie hat eine ganz dicke Borke. Es ist ein Baum mit einem feineren Laub und wenn da einmal schnell Feuer drüber geht, schlägt sie wieder aus. Anders verhält es sich bei trockenen Fichten, die brennen dann lichterloh.“ Das bemerkenswerte sei die Tatsache, so die Wissenschaftlerin, dass die Robinie zur gleichen Familie wie Erbsen und Bohnen gehöre, den Schmetterlingsblüten- oder Hülsenfruchtgewächsen. Diese seien in der Lage Stickstoff zu fixieren, d.h. sie sind nicht unbedingt auf Dünger angewiesen, weil sie in Symbiose mit bestimmten Bakterien leben und Luftstickstoff nutzen können. „Insgesamt ist die Robinie schon ein Zukunftsbaum in dem Sinne, dass sie mit vielen Unwägbarkeiten umgehen kann“, erklärt Lohaus.

Ein Ersatz für die durch Trockenheit bedrohte Fichte sei sie allerdings nicht, da ihr Holz eher als Ersatz für Tropenholz genutzt wird, die Fichte aber hauptsächlich Bauholz liefere. Dafür käme eher die Douglasie in Frage, auch eine Nadelbaumart. „Andere Wissenschaftler*innen sagen, wir müssen auch mit anderen Baumarten experimentieren, sogenannten Zukunftsbäumen, die mit der Trockenheit besser klar kommen“, fährt sie fort und nennt einige Bespiele, die sie auch in ihrem seit acht Jahren bestehenden Uniarboretum gepflanzt hat. Zu nennen sind der aus Zentral- und Westchina kommende Blauglockenbaum, der chinesische Guttaperchabaum, auch Gummi-Ulme genannt sowie die kleine Amur-Linde aus Russland und China.
Geduld ist dabei das zentrale Stichwort und so gibt es auch Projekte, die über Jahre untersuchen, wie sich unsere Wälder verändern. Lohaus kennt ein Beispiel bei Lübeck, wo ein Förster den Wald sich selber überlässt und beobachtet, welche Bäume sich von alleine wieder ansiedeln und den neuen Umweltbedingungen trotzen. Wieder andere beschäftigen sich mit den verschiedenen Varietäten bestimmter Bäume, die trockenheitsangepasster sind, denn, so sagt die Botanikerin: „Man würde jeden Weg gehen, den man beschreiten kann, weil das Sterben des Waldes sehr massiv ist.“

Aufwändige Kontrollmaßnahmen

An der Nordsee macht die Kartoffel-Rose den Dünenbiotopen Probleme, in Berlin kämpfen Kleingärtner*innen gegen den Götterbaum und die Beifuß-Ambrosie kann bei Menschen Allergien auslösen. „Manche Menschen reagieren auf diese Allergene so stark, dass ein paar Pollen ausreichen, um eine allergische Reaktion auszulösen. Es gibt sogar Meldestellen in vielen Orten“, sagt Lohaus, über die dann Fachleute die entsprechenden Exemplare ausstechen. „Aber“, fügt sie hinzu, „man muss sie auch erst einmal erkennen, denn die sieht ganz harmlos und grün aus.“ Als Meldestellen in NRW kann man sich an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz wenden. Weitere Informationen bieten einmal eine Warnliste invasiver Gefäßpflanzenarten, die man beim Bundesamt für Naturschutz einsehen kann sowie das Neobiota-Portal, welches eine Artenliste von Pflanzen bietet. Und auch der NABU Rhein-Berg-Kreis versucht gegen bestimmte invasive Arten etwas zu tun und freut sich immer über ehrenamtliche Unterstützer*innen.

Online-Handel: Fluch und Segen?

Was früher über einzelne Importe nach Europa gelangte, ist über den Onlinehandel heute noch schwerer zu kontrollieren. Die Menschen wollen alles zu jeder Zeit. Manche Pflanzenarten werden landwirtschaftlich sowie als Heilpflanze oder Zierpflanze genutzt und wenn sie nicht im Fachhandel erhältlich sind, über das Internet bestellt. Eine Gefahr für unsere Ökosysteme berge es in dem Sinne, sagt Lohaus, das immer noch mehr neue Pflanzen kommen werden und man erst hinterher sehe, ob sie zu einer invasiven Art werden oder nicht. „Die meisten Pflanzen sind ja erst einmal aus guten Gründen gekommen, als Nahrungspflanze, Sichtschutz, Bienenweide, Futter, Zierpflanze oder Parkbaum. Fast unsere ganze Nahrung besteht aus Pflanzen, die hier mal eingeführt wurden“, erklärt sie und fügt schmunzelnd hinzu, „ohne diese Pflanzen würden wir immer noch an Eichenrinden nagen.“

Uwe Blass

Die komplette Transfergeschichte lesen Sie hier.


Prof. Dr. Gertrud Lohaus promovierte 1995 an der Georg-August-Universität in Göttingen und arbeitete dort bis 2004 als Wissenschaftliche Angestellte bzw. wissenschaftliche Assistentin in der Abteilung für Biochemie der Pflanze. Von 2005 bis 2009 war sie zunächst Lehrbeauftragte, dann Vertretungsprofessorin für Baumphysiologie und Forstbotanik ebenda. 2009 übernahm sie die Professur für Molekulare Pflanzenforschung/Pflanzenbiochemie an der Bergischen Universität Wuppertal

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