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Jahr100Wissen: Ein Abiturient aus Barmen schreibt Fluggeschichte

21.06.2019|09:59 Uhr

In der Reihe „Jahr100Wissen“ beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bergischen Universität mit 100 Jahre zurückliegenden Ereignissen, die die Gesellschaft verändert und geprägt haben. Am 25. Juni 1919 startete das erste Gesamtmetallflugzeug, die Junkers F13, zu ihrem Jungfernflug. Ein Jahr100Wissen-Interview mit Prof. Dr.-Ing. Peter Gust, Lehrstuhlinhaber für Konstruktion in der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik.

Prof. Dr.-Ing. Peter Gust<br /><span class="sub_caption"> Foto UniService Transfer</span>

Herr Gust, am 25. Juni 1919 startete das erste Gesamtmetallflugzeug, die Junkers F13, zu ihrem Jungfernflug. Der Visionär Hugo Junkers, der 1878 an der Höheren Gewerbeschule in Barmen sein Abitur machte, sah die Zukunft der Flugzeuge im Transport von Passagieren und Waren. Damals galt die Devise: Blech kann doch nicht fliegen! Was war das Besondere an der Junkers F13?

Gust: Die Junkers F 13 bestand komplett aus Metall. Also die ersten Flugzeuge der Gebrüder Wright waren ja Stoff-Holzkonstruktionen. Die Ansprüche an Tragfähigkeit, das heißt, viele Personen transportieren zu können, stellte aber höhere Ansprüche an die Werkstoffe. Und hier hat man Werkstoffe verwendet, die bei kleineren Abmessungen deutlich höhere Festigkeiten haben. Da war der Weg zu Stahl, Leichtbau und Aluminium – also Metallen – ein logischer Schritt. Wenn man sich auch heutige Flugzeuge anschaut, glaubt man ja immer noch nicht, dass die überhaupt fliegen können.

Was war der Vorteil der F 13 im Vergleich zum Doppeldecker?

Gust: Das war sicherlich die Zugänglichkeit und dass man eine bessere Sicht über die Tragflächen hat. Außerdem handelt es sich der Junkers F 13 um einen Tiefdecker, der den Vorteil hat, dass die schwereren Tragflächen aus dem neu entwickelten Duraluminium nicht zusätzlich auf den Rumpf drücken. Diese liegen ja direkt über dem Fahrwerk. Allerdings müssen die Tragflächen im Vergleich zum Doppeldecker eine größere Spannweite haben, damit der Auftrieb ausreichend ist.

Hugo Junkers erfand den sogenannten „dicken Flügel“. Was ist das?

Gust: Dass Flugzeuge überhaupt fliegen können, hängt ja von der Umströmung des Tragflügels ab. Junkers hat herausgefunden, dass ein dicker und damit stabilerer Flügel einen kaum höheren Luftwiderstand im Vergleich zum dünnen Flügel hat. Seine Idee des dicken Flügels war die Zusammenlegung der beiden Flügel eines Doppeldeckers zu einem Flügel, der Platz für den Motor bietet.

Der einmotorige Tiefdecker F13 bot in einer geschlossenen Kabine vier Passagieren Platz. Insgesamt wurden von 1919 bis 1932 etwa 320 Maschinen gebaut, von denen rund 110 in Deutschland zugelassen waren. Junkers selber wurde 1933 von den Nationalsozialisten enteignet. Welche Bedeutung hat seine Arbeit für die Luftfahrt?

Gust: Ich sehe das ähnlich bahnbrechend wie die Arbeiten von Isambard Kingdom Brunel, der mit dem Bau der Great Western Railway (GWR) und dem ersten Dampfschiffe mit Eisen- statt Holzrumpf bekannt geworden ist. Man ist mutig neue Wege gegangen. Der Übergang vom Doppeldecker zum Tiefdecker ist insofern bahnbrechend, weil neben der leichten Zugänglichkeit der Auftrieb zunahm und die Konstruktion insgesamt kleiner, einfacher und günstiger wurde. Es steckt ein Konzept dahinter, und das ist etwas, was man in der Konstruktionssystematik im Maschinenbau immer wieder versucht: einfacher, leichter und günstiger zu werden, aber gleichzeitig besser. Und diesen Dreiklang hat Junker geschafft und damit Geschichte geschrieben.

Zu den wichtigsten Komponenten der Arbeit von Konstrukteuren gehören die Materialien. Jahrzehnte wurden der Flugzeugrumpf und die Flügel der Passagierflugzeuge aus Aluminium und Aluminiumlegierungen hergestellt. Ende 2009 hob mit dem Boeing 787 Dreamliner erstmals ein großes Passagierflugzeug ab, dessen Rumpf und Tragflächen aus hochfestem, leichtem Kohlefaserverstärktem Kunststoff, also Karbon (CFK), bestand. Ist das das Material des 21. Jahrhunderts?

Gust: Dort, wo es wirtschaftlich möglich ist, ja. Es ist aber aktuell noch nicht der Werkstoff, der in großen Serien eingesetzt wird. Also der Flugzeugbau ermöglicht das und das wird sich auch noch fortsetzen, weil man es über die Zeit hinweg immer geschafft hat, neue Technologien auch in Massenmärkte zu bringen. Bei der Formel 1 ist es selbstverständlich, im aktuellen Golf eher nicht.

Eine Gruppe Ihrer Maschinenbau-Studierender hat am MultiCopter-Cup des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) 2017 in Hannover teilgenommen und den ersten Platz belegt. Welche modernen Flugkörper haben die Studierenden da konstruiert?

Gust: In dem MultiCopter-Cup ging es darum, die Stillstandzeiten von Flugzeugen zu reduzieren, und zwar mit Inspektionen am Boden durch den Einsatz von Drohnen. Auch die Inspektion von Rotorblättern von Windenergieanlagen sind möglich, so dass man mit einer Drohne idealerweise autonom, also alleine fliegend, die Rotorblätter oder die Rümpfe und Tragflächen von Flugzeugen inspizieren kann. Die Studierenden haben ein Verfahren entwickelt, wie man messtechnisch von der Drohne aus Dellen und Macken in den Tragflügeln identifizieren, messen und einordnen kann, so dass sich aufwändige Inspektionsarbeiten, die nach Sicherheitsrichtlinien gefordert sind, deutlich verkürzen.

Welche Unternehmen könnten davon profitieren?

Gust: Wir haben bisher Anfragen von Achterbahnherstellern, die große Anlagen haben, welche nach Schließung der Vergnügungsparks von Drohnen auf Rostschäden untersucht werden können. Erste Gespräche mit den Wuppertaler Stadtwerken gibt es auch bereits. Die WSW hat Interesse bekundet, mit den Drohnen die Schwebebahnen zu inspizieren.

UWE BLASS

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