Mitarbeitende im Ehrenamt: Arno Ueberholz über ein Leben in Fragmenten
Als Arno Ueberholz 2015 durch einen Hörsturz ertaubt, ist plötzlich alles anders. Das einzige Geräusch, das er wahrnehmen kann, ist ein Piepen in seinem Kopf. Dinge wie Schwimmen und Radfahren, die bisher alltäglich waren, sind nicht mehr möglich. Dass er sich trotzdem Stück für Stück Teile seines alten Lebens zurückholt und auch wieder als Sicherheitsingenieur an der Bergischen Universität arbeitet, verdankt er dem Cochlea Implantat (CI). Um andere Betroffene auf diese Option aufmerksam zu machen, gründet er gemeinsam mit zwei Mitstreitenden die Selbsthilfegruppe „Hör zu! CI Café“ – unterstützt durch den Dachverband CIV NRW: Alle zwei Monate kommen zwischen acht und 15 Hörgeschädigte oder Gehörlose im Regionalen Therapie-Zentrum in Wuppertal zu Austausch und Aktivitäten zusammen.
„Was uns verbindet, sind das ‚Leben in der Käseglocke‘ und die daraus resultierende Gefahr, sich selbst zu isolieren“, erläutert Arno Ueberholz. „Das muss aber nicht sein: Mit Hilfe des Implantats ist es möglich, weiterhin an der Welt der Hörenden teilzuhaben, und dabei möchten wir helfen.“ Das fängt an bei der Beantwortung von Fragen rund um die zwei- bis dreistündige OP, bei der die Innenohrprothese hinter dem Ohr unter die Haut gepflanzt wird, und endet bei konkreten Tipps für den Alltag: Wie verhält man sich in Menschenmengen? Wo setzt man sich in größeren Gesellschaften am besten hin? Und wie trainiert man Dinge, die vor dem Hörverlust ganz selbstverständlich waren?
Arno Ueberholz großer Helfer auf diesem Weg: Sturheit. „Ich war stocksauer, dass ich nach dem Hörsturz beim Radfahren das Gleichgewicht verloren habe und beim Schwimmen die Bahn nicht mehr halten konnte. All das wollte ich wieder können, deshalb habe ich verbissen trainiert.“ Mit Erfolg. Nach drei Monaten war vieles wieder möglich, und inzwischen fährt er Auto und Motorrad, kann seiner Arbeit nachgehen und auch Vorträge halten. „Damit die Kommunikation mit anderen funktioniert, muss ich allerdings Regeln aufstellen. Zum Beispiel, dass ich das Gesicht der sprechenden Person sehe. Denn mit Hilfe des Implantats kann ich zwar verstehen, aber nicht hören.“
Was sich verwirrend liest, wird verständlich, wenn man sich die Tonsequenzen anhört, die das Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf seiner Seite veröffentlicht hat. Man muss sich wirklich konzentrieren, um die Inhalte dieser CI-Simulationen zu erkennen. Arno Ueberholz nennt das Implantat deshalb einen „Rollstuhl für das Ohr“. Es macht vieles möglich, kann das Gehör aber nicht ersetzen. „Ich bin wirklich sehr dankbar, dass ich durch das Implantat weiter am Leben der Hörenden teilhaben kann“, sagt er, „aber viele Situationen sind und bleiben einfach Herausforderungen. Telefonate beispielsweise oder Besprechungen mit vielen Personen. Ich muss auf jeden Fall das Thema kennen, damit ich kombinieren und einordnen kann. Und selbst dann ist das Ganze sehr anstrengend für mich.“
Sein Wissen gibt er weiter – alle zwei Monate am ersten Montag des jeweiligen Monats ab 18:00 Uhr. Parallel zu diesem Austausch sollen auch die gemeinsamen Aktivitäten der Selbsthilfegruppe ausgebaut werden. Aktuell plant Arno Ueberholz u.a. ein gemeinsames Fahrsicherheitstraining. „Studien zufolge ist die Unfallhäufigkeit bei Hörgeschädigten höher als bei Hörenden, die Auto fahren. Ein entsprechendes Training dürfte also auf großes Interesse stoßen.“
Kontakt
Arno Ueberholz
E-Mail: a.ueberholz[at]uni-wuppertal.de
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