Philosoph Prof. László Tengelyi verstorben
Der gebürtige Budapester László Tengelyi studierte Philosophie, klassische Philologie und Geschichte an der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest. 1986 promovierte er mit der Doktorarbeit „Autonomie und Weltordnung. Kant über das Fundament der Ethik“. 1995 folgte seine Habilitationsschrift mit dem Titel „Schuld als Schicksalsereignis. Das Böse bei Kant und in der nachkantischen Philosophie“.
László Tengelyi war viele Jahre als Dozent und Professor an der Loránd-Eötvös-Universität in Budapest tätig, bevor er 2001 den Lehrstuhl für Phänomenologie und theoretische Philosophie in Wuppertal übernahm. Als Inhaber dieser Professur hat er die phänomenologische Tradition in Wuppertal mit großem Einsatz und Erfolg fortgeführt, gestärkt und erweitert. Gastprofessuren führten ihn an Universitäten in Frankreich (u.a. an die Sorbonne), Belgien, den USA, Kanada, Mexiko und China. Forschungsschwerpunkte von László Tengelyi waren die Antike Philosophie, Kant und der deutsche Idealismus sowie die deutsche und französische Phänomenologie.
In zahlreichen Monographien und Aufsätzen hat László Tengelyi sein Forschungsfeld vorangebracht. Hervorzuheben sind die in mehrere Sprachen übersetzte Monographie „Der Zwitterbegriff Lebensgeschichte“ (München 1998), das Buch „Erfahrung und Ausdruck. Phänomenologie im Umbruch bei Husserl und seinen Nachfolgern“ (Dordrecht 2007), die beiden französischsprachigen Aufsatzsammlungen „L’expérience retrouvée. Essais philosophiques I“ (Paris 2006) und „L’expérience de la singularité. Essais philosophiques II“ (Paris 2014) sowie das gemeinsam mit Hans-Dieter Gondek verfasste Standardwerk über die jüngere französische Phänomenologie „Neue Phänomenologie in Frankreich“ (Berlin 2011). Kurz vor seinem Tod hat er ein großes Werk zur Metaphysik vollendet, dessen Erscheinen für den 31. Juli 2014 angekündigt ist: „Welt und Unendlichkeit. Zum Problem phänomenologischer Metaphysik“.
2005 gründete László Tengelyi das Institut für phänomenologische Forschung an der Bergischen Universität, dessen Direktor er seitdem war. Auf seine Initiative ist die Bergische Universität seit 2006 an dem ERASMUS-Mundus-Masterstudiengang „Deutsche und Französische Philosophie in Europa“ beteiligt, der durch die Universität Toulouse organisiert wird. Er hatte stets einen großen Kreis von Doktoranden um sich, die aus der ganzen Welt nach Wuppertal kamen, um bei ihm zu promovieren; zuletzt waren es ca. 35 Doktoranden.
Von 1995 bis 2002 war László Tengelyi Mitglied des Präsidiums der Ungarischen Gesellschaft für Philosophie, von 2003 bis 2005 Präsident der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung, ab 2005 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat. László Tengelyi begleitete wissenschaftlich unter anderem die Zeitschriften „Husserl Studies“, „Phänomenologische Forschungen“ und „Annales de phénoménologie“ und war Mitherausgeber der Buchreihen „Phänomenologie und praktische Philosophie“ sowie „Contemporary Studies in Phenomenology“.
Im Januar 2011 machte László Tengelyi in Deutschland mit einem offenen Brief darauf aufmerksam, dass ungarische Philosophen wie Ágnes Heller, Mihály Vajda und Sándor Radnóti nach Kritik am neuen Ungarischen Mediengesetz einer Medienkampagne ausgesetzt waren.
„Das Philosophische Seminar der Bergischen Universität Wuppertal ist bestürzt über den plötzlichen Tod seines Kollegen, der vielen Freund und Lehrer in einer Person war. Wir denken mit großem Respekt an sein außergewöhnliches Engagement in der Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten und in der persönlichen Unterstützung junger Forscherinnen und Forscher. Sein letztes Werk, die in diesen Wochen erscheinende Studie ‚Welt und Unendlichkeit. Zum Problem phänomenologischer Metaphysik‘, sollte der Beginn einer neuen Arbeitsphase sein. Sie wird vielen nun als Summe seines Schaffens und als ein Vermächtnis erscheinen“, so die Kollegen des Philosophischen Seminar an der Bergischen Universität in einem Nachruf.