Prof. Dr. Schmülling im Interview: „Verbrennungsmotoren werden irgendwann nicht mehr wirtschaftlich sein“
Von ihrem Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen zu bringen ist Angela Merkel inzwischen zurückgerudert… Zurecht?
Prof. Dr. Schmülling: Vielleicht werden wir diese Zahl innerhalb der kommenden beiden Jahre nicht erreichen, aber sie ist definitiv machbar. 2007 wurden gerade mal acht Elektroautos in Deutschland zugelassen, 2017 waren es bereits 25.000 Neuzulassungen. Wenn wir diese Entwicklung fortschreiben…
Im Ausland wurden im vergangenen Jahr 800.000 Elektroautos zugelassen. Warum sind die Deutschen noch so zurückhaltend?
Prof. Dr. Schmülling: Das hat verschiedene Gründe. Zum einen gibt es aktuell noch keine vernünftigen Gebrauchtwagen in diesem Segment. Und viele Menschen kaufen sich ihre Fahrzeuge am Gebrauchtwagenmarkt. Zum anderen liegen noch keine Erfahrungen mit Elektroautos vor: Wie lange hält das Fahrzeug? Was können die Batterien? Im Grunde befinden wir uns momentan in einer großen Feldtestphase, was die Elektromobilität angeht.
Eines der wichtigsten Argumente ist aber sicherlich der Preis: Momentan sind E-Autos sehr teuer und kommen daher für viele schlicht nicht in Frage. Aber auch hier findet eine Entwicklung statt. Vor einigen Jahren musste man für ein kleines Elektroauto 35.000 Euro hinlegen. So viel kostet inzwischen ein Tesla 3 – mit einer deutlich höheren Reichweite.
Laut ADAC-Studie greift ja auch eines der Hauptargumente für Elektroautos – ihre Umweltfreundlichkeit – aktuell noch nicht…
Prof. Dr. Schmülling: Am Anfang haben Elektroautos sicherlich noch einen größeren Klima-Rucksack. Aber auch das wird sich ändern. Viele vergessen beispielsweise, dass Elektroautos noch nicht in der Stückzahl von Verbrennungsfahrzeugen hergestellt werden. Während bei letzteren die Produktion durchorganisiert und optimiert ist, stehen wir bei E-Autos noch ganz am Anfang. Da gibt es noch viel Verbesserungspotenzial – sowohl mit Blick auf die Kosten als auch die Umweltfreundlichkeit.
Zudem werden Elektroautos von Jahr zu Jahr weniger CO2 ausstoßen. Und zwar in dem Maße, in dem unser Strom-Mix verstärkt aus regenerativen Energien besteht.
Die Zeit der Benziner und Diesel geht also definitiv dem Ende entgegen?
Prof. Dr. Schmülling: Verbrennungsmotoren werden irgendwann nicht mehr wirtschaftlich sein. E-Autos sind einfacher aufgebaut und werden über kurz oder lang günstiger in der Produktion sein. Und wenn der Anteil der regenerativen Energien an unserem Strom-Mix weiter steigt, sinken auch die Betriebskosten. Die Sonne muss schlicht und ergreifend nicht bezahlt werden.
Diesem Effekt entgegen wirken allerdings Funde neuer Ölquellen. Zum Beispiel in den USA oder in Bahrain. Dadurch sinkt der Ölpreis vorübergehend, und Verbrennungsmotoren werden wieder attraktiver. Aber die fossilen Brennstoffe unseres Planeten sind nun mal endlich.
Schwierig bleibt indes nach wie vor das Thema Infrastruktur: Ladestationen für E-Autos haben eher Seltenheitswert.
Prof. Dr. Schmülling: Das stimmt leider. Wer kein Eigenheim hat, hat beim Laden der Batterie ein Problem. Bei der Lösung spielt natürlich auch der politische Wille eine Rolle. Nicht zu vergessen die Prioritäten der Autohersteller.
Am Lehrstuhl für Elektromobilität und Energiespeichersysteme befassen wir uns daher auch mit Ladetechnologie, genauer: mit berührungslosem Laden ohne Stecker & Co. Das ist natürlich sehr komfortabel, birgt aber auch viele Herausforderungen. Unsere Forschungen beinhalten die funktionale Sicherheit, die Steigerung des Systemwirkungsgrades, die Einsparung notwendiger Komponenten sowie die Entwicklung neuer Übertragungstopologien, die den Anforderungen der Automobilindustrie gerecht werden.
Wo liegen weitere Schwerpunkte Ihrer Forschung?
Prof. Dr. Schmülling: Wir untersuchen Möglichkeiten von Elektromobilität für den öffentlichen Personennahverkehr sowie den betrieblichen Verkehr. Müllabfuhr oder Straßenreinigung beispielsweise. Wir befassen uns auch mit dem Folgenutzen von Batterien oder der Live-Erfassung von Fahrzeugmasse. Das ist u.a. hilfreich, um die Reichweite eines Fahrzeuges zu berechnen.
Ein weiteres Projekt treiben wir mit Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien voran. Dort geht es um die Frage, wie E-Traktoren die Situation von brasilianischen Kleinbauern verbessern, Landflucht verhindern und die Nahrungsmittelversorgung verbessern können.