Prof. Katja Pfeiffer im Transfergespräch: Mit Kunstwerken neue Perspektiven schaffen
Talent auch ohne Blitz und Donner
Ihr künstlerischer Weg war indes nicht von Geburt an durch Blitz und Donner begleitet wie bei einigen Genies der Vergangenheit, erzählt sie lachend. „Ich habe während meiner Jugend gemerkt, dass ich gerne zeichne, eine Freude am Tun habe. Dazu kam wohl ein gewisses Talent.“ Förderlich war, wie sie beschreibt, ein Set aus wohlwollenden Eltern, Mentoren, die sich gekümmert haben, und verschiedene außerschulische Lernorte, an denen sie intensiv künstlerisch arbeiten konnte. Außerdem hatte sie gute Kunstlehrer, die sie bewunderte und die ihr Vorbild waren.
Trotz dieser guten Vorbereitung steckte die Ausbildung an der Düsseldorfer Kunstakademie noch voller Überraschungen. Ihr Studium absolvierte sie bei Günther Uecker, Alfonso Hüppi und Jan Dibbets, wobei sie sich in der Hüppi-Klasse am treffendsten aufgehoben fühlte, da hier ein sehr offener Gattungsbegriff vorherrschte. „Hüppi hat im Grunde genommen allen Gattungen ihren Raum gegeben, hat die Leute machen lassen, nach was es sie gedrängt hat. (...) Das Wichtigste war, dass es der Person entsprochen hat, was da entstanden ist.“ Somit sind viele ihrer ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen auch heute noch Grenzgänger zwischen den Medien.
Das Ausloten von Grenzen
Sie selbst beginnt vor allem nach ihrem Studium und Umzug nach Berlin, intensiv zu sammeln und zu experimentieren. „Es ging eigentlich immer ganz klar um das Ausloten von Grenzen der Medien, zu schauen, wie weit ist das Malerei, wann geht es in den Raum, wann ist es eine Skulptur, wann eine Installation.“ So stellt sie sich eine Art „Riesenbaukasten“ aus Fotos, Materialien, Skizzen und Ideen zusammen, den sie ständig erweitert und in dessen Elementen sie Anlass zu neuen Werken findet.
Der Begriff Relief bezeichnet daher am ehesten das, was ihre Arbeiten ausmacht. Nicht Malerei, nicht Bildhauerei, sondern etwas dazwischen. „Und dieses Dazwischen gefällt mir als Begriff sehr gut“, erklärt sie, „weil ich mich oft weigere, einen Standpunkt für den einzig gültigen zu halten. Bei einem Relief kann ich in der Regel auch keinen festen Standpunkt angeben, d.h. ich muss mich mit und vor dem Objekt bewegen und kann ganz viele Standpunkte einnehmen. Davon sind auch viele gut oder schön. Diese Variabilität finde ich spannend, weil sie dem Betrachter die Möglichkeit gibt, ganz eigene Perspektiven einzunehmen. Ich will auch den Beobachter nicht gleich auf irgendetwas festlegen.“
Die Universitätsgalerie Oktogon im Klophauspark
Unter anderem solche Qualitäten schätzt die Professorin ebenso bei Künstlerkolleginnen und -kollegen, deren Werke sie zusammen mit dem Kurator Roman Zheleznyak seit 2017 regelmäßig im sogenannten Oktogon im Klophauspark ausstellt. Für die Sanierung und Anmietung dieses besonderen Ortes als Universitätsgalerie für die Bergische Universität hat sie knapp zehn Jahre gekämpft.
Der klassizistische Pavillon in der von Ludwig von Lilienthal in den 1870er Jahren geschaffenen Parkanlage erfuhr eine lange, wechselvolle Geschichte. Die Galeristin Annelie Brusten hatte das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf geweckt und mit ambitionierten Programmen bis in die 90er Jahre renommierte Künstler wie Günther Uecker oder Tony Cragg in den Klophauspark geholt. „Frau Brusten wollte gerne, dass ihr Lebenswerk in gute Hände kommt und dass das jemand fortsetzt“, berichtet Pfeiffer, und mit diesem Anliegen kam Frau Brusten auf sie zu.
Aber die Hürden, vor allem die baulichen, waren hoch. „Hier sind die Vandalen eingebrochen und haben das ganze Gebäude ruiniert. Es musste komplett saniert werden. Es gab auch Wasserschäden, weil die Drainage nicht funktioniert hat. Jedenfalls war das Gebäude nun eine Zeit lang unbespielbar.“ Da die Stadt viele schützenswerte Denkmäler hat, gerät das Kleinod zunächst wieder in Vergessenheit. Unter anderem der Beharrlichkeit eines städtischen Mitarbeiters und dem Wohlwollen des universitären Baudezernates sowie auch der Zustimmung durch die Hochschulleitung ist es schließlich zu verdanken, dass das Gebäude doch renoviert und die erste neue Ausstellung im Herbst 2017 eröffnet wurde. Der neue Mieter, die Bergische Universität, nennt seither eine Universitätsgalerie ihr Eigen.
Im Frühsommer stellten Pfeiffer und Zheleznyak dort Arbeiten des Kanadiers Jason Gringler aus, dessen Werk „Monolith“ (eine 3 x 2,5 Meter Spiegelwand) den gesamten Ausstellungsraum füllte. „Man kommt nicht drum herum, zu interagieren. Der Spiegel nimmt die Natur, den Park und das Gebäude auf und den Betrachter selbst. Wenn man drum herumläuft, ist man ständig damit beschäftigt, diesem Ding irgendwie zu begegnen. Und man kann ihm kaum ausweichen. Das ist die Qualität dieses Kunstwerkes. Und das ist auch die Qualität des Künstlers Gringler, der diesen Ort gesehen hat und dann das auf den Ort bezogene Kunstwerk installiert hat mit genau dieser Intention“, erläutert Pfeiffer. Sie ist froh, darüber auch internationale Künstlerpositionen zeigen zu können. Gringler beispielsweise ist gebürtiger Kanadier, hat in New York studiert und ist inzwischen nach Berlin gezogen. Das ist für die Kuratoren ein spannender Hintergrund, denn, so Pfeiffer, „er bringt von überall her Dinge mit und entwickelt sie hier weiter“.
Der Schaffensprozess durch die Augen der Studierenden
Immer wieder ist es der Schaffensprozess, der die Professorin fasziniert. „Das eigentliche Werk ist auch wunderbar, wenn es dann fertig gestellt ist und man es sich anschauen kann, aber der Schaffensprozess bis dahin besteht aus ganz vielen Komponenten, die aufregend sind.“ Pfeiffer interessiert sich für den Weg, den die Studierenden gehen, über die Anschauungen, die Imagination, die technischen Fertigkeiten bis hin zum fertigen Kunstwerk. Sie beobachtet, unterrichtet und begeistert sich für die Kunstwerke, und im Blick auf ihren Entstehungsprozess wird es möglich, die Welt durch die Augen der Studierenden zu sehen. Diese Vielfältigkeit an Gedanken und Ideen verraten ihr auch die unterschiedlichen Dinge, die Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers nutzen. „Da liegen Bücher und Fotos, da liegen Materialien, und das verrät oft ganz viel, ein Blick wie in eine Wundertüte“, sagt sie.
Ihre Studierenden motiviert sie auch, Ausstellungen in der bergischen Kunstszene wahrzunehmen. „Es gibt eine Hand voll guter Institutionen hier; das eine ist die pass: project-Galerie von Jürgen Grölle, ein sehr guter Ort. Der neue Wuppertaler Kunstverein ist spannend, dann der Skulpturenpark und auch die Kunsthalle in Barmen. Das sind schon mal vier Orte, die wirklich ein interessantes Programm machen und die auch an Rahmenveranstaltungen sehr reich sind.“ Und das sind bei weitem nicht alle, denn auch Wuppertal nimmt im Bereich der an Ausstellungsorten reichen Region seinen Platz ein. „In jedem kleinsten Ort gibt es einen Kunstverein und für Studierende ist das ein Eldorado.“
Dass viele fakultative Angebote trotzdem nicht genügend angenommen werden, erklärt Pfeiffer mit der Veränderung des Studiums und bedauert diesen Trend teilweise. „Persönlichkeitsbildung ist essenziell“, unterstreicht sie und wünscht den Studierenden, ausreichend viel Zeit in die Entwicklung ihres Selbst stecken zu können. „Hier sind Räume, hier ist Zeit, hier sind Kommilitonen und Lehrende. Sie sollen innerhalb ihres Studiums so viel wie möglich davon mitnehmen. Sie sollen während des Studiums ihre Persönlichkeit entwickeln, um dann als Lehrerinnen und Lehrer an Schulen zu gehen, die in der Lage sind, mit Begeisterung und Engagement zu unterrichten; also diese Lehrer zu werden, die man sich eigentlich immer selber gewünscht hat.“
In dem Roman „Die Perspektive des Gärtners“ von Hakan Nesser wird die Protagonistin, eine Malerin, gefragt: „Was ist das wichtigste Element in ihren Bildern?“ Und sie antwortet: „Die Stille.“ Auf die Frage nach dem wichtigsten Element in Pfeiffers Arbeiten sagt sie: „Der Perspektivwechsel. Dinge von einem neuen Standpunkt wahrzunehmen und dadurch einen neuen Blick auf ein Phänomen zu gewinnen, den ich vorher noch nicht hatte. Das gilt sowohl für mich als auch für den Betrachter.“
„Die Aufgabe von Kunst ist es heute, Chaos in die Ordnung zu bringen“, sagte Theodor W. Adorno 1951 und forderte schon damals einen – extremen – Perspektivwechsel.
Uwe Blass
Weitere Transfergeschichten sind zu finden unter
www.transfer.uni-wuppertal.de/transfergeschichten.html
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Katja Pfeiffer, Jahrgang 1973, absolvierte ein Lehramtsstudium in Kunst und Erziehungswissenschaften an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen Günther Uecker, Alfonso Hüppi und Jan Dibbets sowie ein Lehramtsstudium der Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität. Sie war Meisterschülerin bei Alfonso Hüppi. Seit 2006 ist sie Professorin für Kunst mit dem Schwerpunkt künstlerische Praxis an der Bergischen Universität Wuppertal.