Satzstrukturen unter der Lupe: Wuppertaler Wissenschaftler*innen forschen für ein besseres Verständnis von Sprache
„Um narrative Texte wie Erzählungen verstehen zu können, muss es den Leser*innen gelingen, die richtige Perspektive einzunehmen“, erklärt Dr. Hinterwimmer. Ein Phänomen, das die Bedeutung der Wahl der richtigen Perspektive in Texten besonders deutlich macht, ist die erlebte Rede. „Während bei der direkten und bei der indirekten Rede sprachlich markiert wird, wer eine Aussage getätigt oder etwas gedacht hat, bekommen die Leser*innen bei der erlebten Rede keine eindeutigen Hinweise darauf, wem eine Aussage oder ein Gedanke zugeschrieben werden soll“, fährt der Wissenschaftler fort, der das Teilprojekt „Diskursreferenten als perspektivische Zentren“ leitet.
Ein Beispiel: Als Thomas am Freitag in die Kneipe kam, schlug ihm ein Mann in einem schwarzen Mantel ohne Vorwarnung mit der blanken Faust ins Gesicht. Autsch, wie weh das tat!
Die Frage, die sich daran anschließt: Wem tut jetzt etwas weh? „Die Leser*innen neigen wahrscheinlich dazu, die erlebte Rede – Autsch, wie weh das tat! – als Gedanken von Thomas zu interpretieren“, so Dr. Hinterwimmer. Prinzipiell nicht auszuschließen wäre jedoch auch die Lesart, dass sich der Mann im schwarzen Mantel über seine schmerzende Hand beklagt. „Diese wird aber im Allgemeinen eher nicht in Betracht gezogen.“
Mit seinem vierköpfigen Team untersucht Dr. Hinterwimmer im Rahmen des Projekts genau diese sprachlichen Merkmale in Texten, die den Leser*innen Hinweise darauf geben, welche Perspektive eingenommen werden soll. Zum Einsatz kommen dabei experimentelle Methoden wie Akzeptabilitäts-, Blickbewegungs- und Textvervollständigungsstudien. „Wir gehen davon aus, dass die Leser*innen die Perspektive derjenigen Protagonist*innen einnehmen, die eine besonders prominente Rolle im vorangehenden Text einnehmen – in unserem Beispiel ist das Thomas, der namentlich erwähnt wird und mit dem Pronomen ,ihm‘ wieder aufgegriffen wird.“
Der SFB 1252 Prominence in Language ist angesiedelt an der Universität zu Köln. Neben der Entwicklung eines besseren Verständnisses sprachlicher Strukturen und der Übertragung zwischen verschiedenen Sprachen können die Erkenntnisse der Wissenschaftler*innen in weiteren Schritten zum Beispiel dabei helfen, die automatisierte Spracherkennung voranzutreiben: Maschinen kennen die Bedeutung hinter Sätzen und Wörtern nicht, mit dem Projektwissen ließen sich Algorithmen entwickeln, die dieses Problem auffangen und so bewerten könnten, welche Informationen im Text die wichtigsten sind.
Kontakt:
Dr. Stefan Hinterwimmer
Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften
Telefon 0202/439-2987
E-Mail hinterwimmer[at]uni-wuppertal.de