„Wir brauchen mehr Lehrer, die Spaß an ihrem Beruf haben“: Career Story mit Hochschulabsolventin Katharina Schumacher
Die gebürtige Bedburgerin, die ihr Studium an der Bergischen Universität absolvierte, wusste schon sehr früh, dass sie bei den „Kleinen“ den Grundstock für das Lesen, Schreiben und Rechnen legen wollte. „Bereits im zweiten Schuljahr war mir klar, dass ich den Lehrberuf richtig cool finde. Am Ende des vierten Schuljahres habe ich dann gesagt, ich will genau das machen, was meine kompetenten Grundschullehrerinnen bei mir bewirkt haben.“ Nach reiflichem Abwägen und Ausprobieren an verschiedenen Schulformen verfestigte sich der Wunsch der 31-Jährigen, das Fundament für erfolgreiches Lernen bei Kindern in der Primarstufe zu legen: „Die Grundschülerinnen und -schüler kommen mit Spaß am Lernen in die Schule, nehmen viel an und mit.“
Wunsch-Universität Wuppertal
Nach dem Abitur galt es, die passende Universität mit den Studienfächern zu finden, die Schumachers Neigungen und Fähigkeiten entsprachen. Bei der Rundreise mit ihrer Mutter – u.a. auch an die Universitäten Münster und Köln – zeigte sich schnell, dass Wuppertal ihren Erwartungen und Vorstellungen entsprach. Weitere Entscheidungen folgten: Welches Kernfach kommt in Frage – Mathematik oder Germanistik? Welches Zweitfach weckt das Interesse – Kunst oder Musikpädagogik? Fragen, die in persönlichen Gesprächen geklärt wurden. Wichtig war Schumacher, nach dem Studium mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Anstellung zu finden. Hierbei halfen ihr die Informationen der Mitarbeiterinnen der Zentralen Studienberatung. „Die Beratung der ZSB hinsichtlich meiner Fächerkombination war wirklich vorausschauend. Ich konnte mir damit meine Schule frei aussuchen.“ Die Wahl fiel auf Mathematik als Kernfach und Musikpädagogik als zweite Studienrichtung.
Doch anders als im Fach Mathematik, das damals keine Zulassungsbeschränkung hatte, musste in der Musikpädagogik das Eignungsfeststellungsverfahren absolviert werden. Inhalte dieser Prüfung wurden in ausführlichen und herzlichen Gesprächen mit Dr. Hans-Werner Boresch – Dozent der Musikwissenschaft – im Vorfeld geklärt. Mit ihrem Vater, der ebenfalls Musiklehrer ist, bereitete sie sich zielstrebig in Gehörbildung, Musiktheorie und den künstlerischen Fächern Klavier sowie Gesang vor und bestand die Tests mit Bravour.
Außerdem absolvierte Schumacher die empfohlenen Mathematikvorkurse. Zu Beginn des Studiums besuchte sie die Erstsemesterveranstaltung in der Uni-Halle sowie die Informationsveranstaltung zum neuen Bachelor 2007. Sie nahm aktiv an der Orientierungswoche teil und suchte den Kontakt zu den jeweiligen Fachschaften, die ihr u.a. bei der Erstellung des Stundenplans halfen. „Ich habe mich auch direkt in der Bibliothek zurechtfinden wollen und somit auch dort eine Einführung wahrgenommen. Ich wollte erfolgreich starten!“ In der Musikpädagogik fühlte sie sich besonders gut aufgehoben und schätzte die individuelle Betreuung und Freundlichkeit der Dozentinnen und Dozenten. Heute sagt sie rückblickend: „Mich hat dieses Fach in besonderer Weise geprägt, denn es ließ zu, sich auszuprobieren, sich auszuleben, sich neu zu erfinden, sich freizuschwimmen und zu wachsen. Und feiern konnten wir eh am besten!“
Pflicht und Kür im Studium
An ihrem Berufswunsch hat Schumacher während des Studiums nie gezweifelt. Jedoch stellte sie sich, speziell in der Mathematik, oft die Frage, ob sie den zu leistenden Stoff wirklich bräuchte. „Wir mussten uns mit Hochschulalgebra und -arithmetik auseinandersetzen. Man bekam immer wieder das Gefühl, ein zweites Mal Abitur zu machen“, sagte sie. „Dabei sollten die didaktischen Grundlagen intensiver behandelt werden. Manchmal schlug man dann die Hände über dem Kopf zusammen und fragte sich, ob man das alles schaffe.“
Während des Studiums nahm Schumacher an diversen Projekten des Faches Musikpädagogik u.a. auch unter der Leitung von Cornelia Niedzkowski teil, die mit der Reihe „Musik trifft Literatur“ Konzertabende mit Studierenden inszenierte. Auch auswärts brillierte sie als Ensemblemitglied mit der Warenhausrevue „Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit“, die im Kaufhof Wuppertal aufgeführt wurde. „Projekte wie diese haben mein Selbstvertrauen und mein Auftreten gestärkt und wachsen lassen. Dafür bin ich dem Fach Musikpädagogik mit allen damaligen Begleitern sehr dankbar.“
Nach zehn sowohl erlebnis- als auch erfolgreichen Semestern führte es die angehende Lehrerin dann zum Referendariat in eine nordrhein-westfälische Stadt, von der sie noch nie gehört hatte: Vettweiß.
Traumreferendariat in „Bullerbü-Schule“
Der Seminarort in Vettweiß bei Düren war zwar nicht ihre erste Wahl, der Übergang von der Hochschule zum Referendariat und an ihre Ausbildungsschule in Geyen-Sinthern verlief jedoch überraschend reibungslos. „Ich muss sagen, für mich war es ein Traumreferendariat, denn ich weiß genauso gut, dass es anders laufen kann“, erzählt sie. Zwischen Fachleiter*innen, Mentor*innen und Referendar*innen muss die Chemie stimmen. Umfeld, Konzept und Ausstattung erleichtern idealerweise die Ausbildungszeit. „Ich hatte das Glück, an einer ‚Bullerbü-Schule‘ mit Bachlauf und Pferdekoppel lernen zu dürfen. Es war wirklich schön, ich bekam tolle Mentoren an die Seite gestellt und auch die Fachleiter der jeweiligen Ausbildungsfächer hatten einen besonderen Blick auf die Kinder, meinen Unterricht sowie meine Lehrerpersönlichkeit.“
Mehr Praxis im Studium
Heute steht Schumacher auf der anderen Seite der Bildungskette, ist nicht mehr nur Lernende, sondern vor allem Vermittelnde. Die inzwischen ins Studium integrierten fünfmonatigen Praxissemester begrüßt sie und erklärt: „Praxis finde ich enorm wichtig. Vielen Studierenden fehlt der Bezug zur Realität. Sie bekommen nicht das entsprechende Werkzeug an die Hand, um später eine Klasse führen zu können. Wenn das Referendariat endet, werden sie aufgrund des massiven Lehrermangels, sofort mit einer Klassenleitung konfrontiert. Das überfordert manche und kann unter Umständen die Gesundheit gefährden.“
Die Verkürzung des Referendariats auf 18 Monate begünstigt zwar einen schnelleren Berufseinstieg, allerdings verschieben sich die Geldsorgen der Studierenden auf das Praxissemester, was Schumacher besonders ärgert: „Die Studierenden müssen neben den Stunden in der Schule auch noch arbeiten gehen, um ihre Wohnung zu finanzieren, und teilweise noch für anstehende Klausuren lernen oder Hausarbeiten schreiben. Wenn ich aus der Schule nach Hause komme, bin ich erst einmal erschöpft und dann dankbar dafür, mir meinen weiteren Arbeitstag frei einteilen zu können.“
Herausforderung Schule
Trotz der Liebe zum Beruf weiß Schumacher heute um viele Probleme, die sich erst im praktischen Schulalltag zeigen. Zum Thema Elternarbeit beispielsweise sagt sie: „Es gibt wirklich sehr viele Eltern, die engagiert in Schule mitwirken und das Schulleben bunter werden lassen.“ Allerdings gibt es auch wenige, die an den Nerven der Lehrer zehren und an ihrer Persönlichkeit kratzen. Dazu Schumacher: „Meine Erkenntnisse stoßen häufig auf Widerstand. Dabei möchte ich auf schulischer Ebene das Beste für die Kinder. Mein Weg ist jedoch nicht immer der Weg, den die Eltern gehen wollen. Deshalb muss ich mich mit Belangen auseinandersetzen, sowohl mündlich als auch schriftlich, die oft nicht zielführend sind. Zeit, die ich an anderer Stelle wie beispielsweise zur Vorbereitung guten Unterrichts gerne nutzen würde.“
Eine weitere Herausforderung bedeuten kleine Schulen mit kleinem Kollegium. Zusätzlich zur Unterrichtsvorbereitung, dem Unterrichten selber und der Elternarbeit kommen Aufgaben in Form von Ämtern wie Medien- und Sicherheitsbeauftragung sowie diversen Konferenzen, Fortbildungen und Planungstreffen oder Organisation und Durchführung von Festivitäten hinzu. Dem Zeitgeist entsprechend konzipiert Schumacher gerade mit ihren Kolleg*innen ein neues Hausaufgabenkonzept und sagt: „Man möchte so viel mehr machen, aber man schafft es nicht, weil zu wenige Kräfte da sind.“
Auch zum Thema Inklusion moniert sie: „Es wird etwas angedacht, aber nicht zu Ende überlegt. Es wird nicht schrittweise eingeführt, sondern mit der Brechstange umgesetzt, und Förderschulen werden aufgelöst. Im günstigsten Fall stehen der Schule ein befristet eingestellter Sonderpädagog*in und Inklusionshelfer*in mit wenigen Stunden zur Seite. Von Team- und Förderstunden können wir zurzeit nur träumen.“ Bei Schumachers erster Klassenleitung gab es mehrere Kinder mit deutlichem sonderpädagogischen Förderbedarf. Daher bezeichnet sie dieses Schuljahr als das härteste in ihrer jungen Laufbahn. „Das war eine Situation und Belastung, auf die ich einfach nicht vorbereitet war. Ich kann mich glücklich schätzen, ein empathisches und kollegiales Team im Rücken zu wissen. In solchen Momenten muss man sich gegenseitig stärken. Und dies alles muss man vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Bezahlung innerhalb unseres Berufs – bei gleicher Arbeitsbelastung – sehen!“
Singen – eine Leidenschaft
Ihre ausdrucksstarke Gesangsstimme setzt sie heute vorwiegend im Unterricht ein. „Ich vermittel das Singen gerne, weil ich Spaß daran habe und damit alle anstecke und motiviere. Diese Leidenschaft überträgt sich auf die Kinder – sie singen immer begeistert mit. Wir haben sogar kürzlich eine CD mit allen Schulkindern aufgenommen.“ Schumacher lebt ihren Unterricht leidenschaftlich lebt und prägt ihn durch ihre Persönlichkeit. Wie gut ihr das gelingt, zeigt u.a. eine erfolgreiche Produktion aus dem Jahr 2016, mit der sie gemeinsam mit ihrem Schulchor bei den Walder-Theatertagen einen Preis für den dritten Platz erhielt.
Was rät Schumacher Lehramt-Interessierten?
„Definitiv erst einmal zeitintensive Praktika in Schule absolvieren, Schulalltag kennenlernen und leben. Einblick in Klassenleitung nehmen, um eine umfassende Vorstellung des Lehrberufs zu erhalten. Dazu gehören auch die Teilnahme und Mitwirkung an einer Konferenz oder eine Hospitation bei Elternsprechtagen. Diese Aspekte waren mir damals nicht im vollen Maße bekannt.“
Nur wer wirklich Lehrer werden möchte und Spaß am Umgang und an der Arbeit mit Kindern hat, für den, sagt Schumacher, lohne sich der Einsatz auf jeden Fall. „Wir brauchen mehr Lehrer, die Spaß an ihrem Beruf haben.“
Uwe Blass
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Katharina Schumacher studierte Mathematik und Musikpädagogik für das Grundschullehramt von 2007 bis 2012 an der Bergischen Universität Wuppertal.
Welcome Week 2017: Katharina Schumacher singt „Let it be“.